Jede gute Trilogie hat drei Teile, nicht wahr? Die Darsteller kann man aber schon mal austauschen. Nachwuchswissenschaftlerin Juliane Jüngling und Prof. Geert Keil haben uns erklärt, dass wir zu blöd sind zu verstehen, was eine Frau ist. Nachwuchswissenschaftlerin Carolin Amlinger und Prof. Oliver Nachtwey haben sich bitterlich darüber beschwert, wie die Linksliberalen behandelt werden. Und in der ZEIT vom 07.06.2023 kritisieren Nachwuchswissenschaftlerin Chantal Awassi und Prof. Marcel Machill das Framing im Nachrichtenjournalismus.
Tatsächlich habe ich gegen die Kernaussage, dass “journalistischer Verantwortung gerecht zu werden heute bedeutet, in der Berichterstattung so neutral zu bleiben, dass Anhänger aller Meinungslager, ob links oder rechts, konservativ oder progressiv, sich bereit erklären können, dieses journalistische Erzeugnis zur faktenbasierten Grundlage ihrer Auseinandersetzung zu nehmen”, überhaupt nichts einzuwenden. Problematisch wird es nur im Konkreten, wenn nämlich Beispiele für Framing aufgeführt werden, die ein Studentenprojekt an der Universität Leipzig (in das die Autoren vermutlich involviert waren) geboren hat.
"Frankreich streikt erneut gegen geplante Rentenreform", heißt es am 31. Januar 2023 auf ZEIT ONLINE. Durch den Frame "Frankreich streikt" entsteht der Eindruck, als ob ganz Frankreich streike, also die Franzosen schlechthin. Dies ist freilich nicht korrekt. Auch wenn die Auswirkungen des Streiks für Frankreich erheblich sind, entsteht das Bild, der Präsident sei völlig isoliert und das ganze Land stemme sich gegen ihn. Der Leser wird nach dem Einstieg durch einen solchen Frame zu der Sichtweise verleitet, die Politik des Präsidenten sei illegitim.
In Frankreich sind - im Gegensatz zu Deutschland - Generalstreiks durch das Streikrecht gedeckt, und ein solcher Generalstreik wurde am 31.01.2023 ausgerufen. Man mag “Frankreich streikt” als Frame sehen, aber eine Überschrift muss immer knapp sein (hat also tatsächlich immer einen Rahmen). Und angeblich (na gut, Online-Magazin der LINKEN…) sind tatsächlich 93% der Arbeitnehmer gegen die Reform.
Auch im Mutterblatt zeichnet man mitunter apokalyptische Bilder, die kaum noch Differenzierungen zulassen. So ist in dem Artikel "Tschüss, Griechenland" in der ZEIT vom 9. Juni 2022 davon die Rede, dass infolge des Ukrainekrieges "auf Europa eine gigantische Fluchtbewegung zukomme". Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hatten zu der Zeit 3,96 Millionen Menschen europaweit temporären Schutz auf Basis der Massenzustromrichtlinie der EU erhalten. Dies als "gigantische Fluchtbewegung" zu bezeichnen bedeutet: Der Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine sei unermesslich und unüberblickbar groß. Es werden Assoziationen zu gigantischen Wogen geweckt.
Da hatten die lieben Studenten der Uni Leipzig wohl ein Problem mit dem Textverständnis. Das ausführliche Zitat, in dem die “gigantische Fluchtbewegung” vorkommt, lautet nämlich:
Es ist der 24. Februar 2022. Die russische Armee ist in die Ukraine einmarschiert. Noch lässt sich nur erahnen, dass auf Europa eine gigantische Fluchtbewegung zukommt. Und noch lässt sich nur hoffen, dass die Europäische Union dieser Herausforderung mit Solidarität begegnen wird.
Hier wird ein Standpunkt in der Vergangenheit eingenommen, von dem aus überhaupt nicht klar war (und nur erahnt werden konnte), welche (möglicherweise “gigantischen”) Auswirkungen der Krieg in der Ukraine haben würde. Die 3,96 Millionen Flüchtlinge werden im Artikel nicht erwähnt und sind auch völlig irrelevant. Und ausgerechnet der ZEIT vorzuwerfen, durch Framing Angst vor Flüchtlingsströmen schüren zu wollen, ist schon lustig…
So schreibt die Welt am 1. Juni 2022 in einem Text, der zunächst in einem nachrichtlichen Gewand daherkommt und dann immer kommentarhafter wird: "Während die USA ohne großes Aufheben Kiew 40 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern zur Verfügung stellen, streitet die EU weiterhin darüber, ob die von ihr bereitgestellten mickrigen neun Milliarden Euro nun vorwiegend als Kredite oder als Geschenk vergeben werden sollen und wer wie viel zahlen muss." Die Leser wären über die Unterschiede zwischen den USA- und EU-Hilfsgeldern genauso gut – sogar besser – informiert, wenn die europäischen neun Milliarden nicht als "mickrig" abqualifiziert würden.
Na gut, das “mickrig” dürft Ihr gerne streichen. Es handelt sich ja auch, sowohl auf Seiten der USA als auch auf Seiten der EU, um riesige Summen. Schade, dass das meiste davon in das Töten von Menschen investiert wird. Und habt Ihr schon mal den CO2-Ausstoß eines Panzers ermittelt?
Diese im Artikel entrüstet vorgetragenen Beispiele scheinen mir eher das Framing-Äquivalent einer Mikroaggression zu sein. Wollt Ihr ein besseres? Die scheinkonservativen Redakteure der FAS fragen am 18.06.2023: Wie halbiert man die AfD? Die Umfragen, die der AfD gerade ein angebliches Wählerpotenzial von 20% bescheinigen, haben allerorts für volle Hosen gesorgt - während Corona haben wir gelernt, dass 20% eine kritische Schwelle sein können, wenn es um Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe geht. Im Artikel wird daher gezielt entmenschlicht: auf der Seite der Guten ist der Namensnennungen kaum ein Ende: Friedrich Merz (CDU), Angela Merkel (CDU), Michael Brychcy (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Hendrik Wüst (CDU), Julia Klöckner (CDU), Kerstin Körner (CDU), Roland Koch (CDU), Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Monika Gruber, Markus Söder (CSU), Martin Hagen (FDP), Hans-Georg Maaßen (CDU), Veronika Bellmann (CDU), Yvonne Magwas (CDU), Stephan Meyer (CDU). Auf der Seite der Bösen? Kein einziger Name, nur Rollen: AfD-Leute, AfD-Stadtratsmitglieder, AfD-Politiker, ein zweiter ehrenamtlicher Stellvertreter von der AfD, eine Gegenkandidatin von der AfD, die AfD-Frau.
Es ist jedermanns gutes Recht, die AfD nicht zu mögen, aber das ist widerlich. Awassi und Machill, würdet Ihr mir zustimmen?
Also ich hab noch nie rechter als die Linke gewählt, aber dieses AfD-Bashing ist unerträglich. Zur Zeit wünsche ich mir die AfD bekäme 51%, damit der Rest der Politik mal auf den Pott gesetzt wird. Sie werden schon nicht als erste Amtshandlung den Holocaust 2 einleiten.