Manche Zahlen entwickeln ein Eigenleben, setzen sich hartnäckig in den Köpfen fest und ändern sich erst dann, wenn der Widerspruch zur Wirklichkeit unübersehbar wird. Die 15 Millionen Elektroautos bis 2030, die die SPD in ihrem Zukunftsprogramm Anfang 2021 herbeigeträumt hatte (siehe hier), stehen nicht nur noch im Raum, sondern sie haben sogar noch eine neue Aufgabe bekommen: sie sollen tapfer mithelfen, wenn es zukünftig zu Blackouts kommt, und dann ihre Akkus selbstlos ins Stromnetz entleeren. Also sprach Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (hier ab etwa 39:40). Die Sinnlosigkeit des Unterfangens wird hier schon schön kommentiert; ich möchte lediglich meine eigenen Überschlagsrechnungen ergänzen.
Der Stromverbrauch pro Jahr in Deutschland liegt bei etwa 500 TWh. Auf die privaten Haushalte entfallen ungefähr 125 TWh, also ein Viertel. Wenn 15 Millionen Elektroautos mit je 50 KWh Akku existieren (haha), alle rückladefähig sind (haha), alle nicht herumfahren, sondern an eine geeignete Ladestation angeschlossen werden (haha), alle voll geladen sind (haha) und alle die gesamten 50 KWh abgeben (haha), kommen 15 Mio. * 50 KWh = 0,75 TWh zusammen. Davon können die Haushalte etwa 24 * 365 * 0,75 / 125 = 52 Stunden, also ungefähr zwei Tage versorgt werden, das gesamte Land also etwa einen halben Tag. Wer mag, darf in seiner Verzweiflung noch ein bisschen was für Akkus von Solaranlagen auf Privathäusern draufrechnen – davon gibt es aber sicher im Jahr 2030 weniger als 15 Millionen, und eine einzelne davon wird nur in Ausnahmefällen eine Kapazität von 50 KWh aufweisen.
Um aber überhaupt in die dargestellte Situation kommen zu können, müssten 15 Millionen Akkus hergestellt werden. Für die Herstellung kann man etwa 100 KWh je 1 KWh Kapazität veranschlagen. Wir müssten also zunächst einmal 75 TWh „ausgeben“, um die Chance zu bekommen, uns ab und zu wieder 0,75 TWh „auszahlen“ zu lassen, die wir jeweils natürlich unmittelbar vorher „eingezahlt“ haben müssen. Auf die acht Jahre bis 2030 gerechnet, entspricht das einem Aufschlag von 75 / 125 / 8 = 7.5% auf den Verbrauch der privaten Haushalte. Wir bräuchten also buchstäblich sieben fette Jahre, um dann sieben magere Jahre überstehen zu können. Nach fetten Jahren sieht es aber gerade nicht aus…
Und übrigens: eigentlich sollen auch Elektroautos doch zum Fahren da sein, oder? Für 15 Millionen davon kann man schon mal 33 TWh pro Jahr veranschlagen (siehe hier). Die kommen auch noch dazu! Wir brauchen also einen deutlichen Ausbau und eine Stabilisierung bei der Stromerzeugung, so dass wir dann irgendwann in die Lage kommen, Instabilitäten auszugleichen, die es aber nicht gibt, weil wir ja schon ein stabiles System haben…
Ist aber auch egal. Zurzeit sind um die 15% aller pro Monat verkauften Autos reine Elektroautos, der Bestand liegt deutlich unter einer Million. Bald haben alle 144.000 Gerechten (d.h. wohlhabenden Familien) ihren Zweitwagen gegen ein Elektroauto getauscht, und dann will keiner mehr eins haben. Und die, die eins haben, werden dafür sorgen, dass der Strom schön im eigenen Haus bleibt. Mit 50 KWh aus dem Autoakku könnte man locker eine Woche überstehen.