Willkommen zurück, v-Berlingo!
Nachdem die Gattung Van nahezu ausgestorben ist (VW Sharan: weg; Seat Alhambra: weg; VW Touran: noch da, aber kein Nachfolger geplant; Ford Galaxy: weg; Ford S-MAX: weg; Ford C-MAX: weg; Citroën (Grand) C4 Picasso: weg; Opel Zafira; weg, Nachfolger ist ein Bus; Mazda 5: weg; …), besetzen die Hochdachkombis die ökologische Nische bezahlbarer und geräumiger Familienautos, insbesondere für Familien mit drei oder mehr Kindern (man zeige mir mal ein SUV, das ernsthaft darauf ausgelegt ist, dass auf der Rückbank drei Personen sitzen können). Aber auch bei den Hochdachkombis ist Vielfalt nicht unsere Stärke. Letztlich gibt es in der Gattung nur drei Spezies, die dann jeweils Unterarten aufweisen:
den VW Caddy, auch zu haben als Ford Tourneo Connect
den Renault Kangoo (Mercedes T-Klasse, Mercedes Citan, Nissan Townstar)
den Citroën Berlingo (Peugeot Rifter, Opel Combo, Toyota ProAce City Verso, Fiat Doblò)
Heute soll es um Letzteren gehen, in den Markt eingeführt als Benziner und Diesel im Herbst 2018 und durchaus erfolgreich, bis im Stellantis-Konzern gegen Ende 2021 der Irrsinn Einzug hielt. Man präsentierte Elektro-Versionen und stoppte gleichzeitig den Verkauf der Verbrenner. Exemplarisch soll hier Citroën stehen: man stelle “sein Angebot auf eine zukunftsweisende Antriebsart um, die es den Kunden ermöglicht, sich weiterhin ohne Beschränkungen und mit niedrigen Betriebskosten fortzubewegen und gleichzeitig von der Geräumigkeit und Praktikabilität [des Berlingo] zu profitieren.” Man schuf “das ultimative Familienauto” und versprach: “Sein Komfort, die Flexibilität, Zweckmäßigkeit und sein Platzangebot werden Sie überzeugen.”
Aha, dachten die Kunden, und was taten sie dann? Um das herauszufinden, habe ich vom Kraftfahrtbundesamt die Quartalsverkaufszahlen von Berlingo, Combo und Rifter abgezogen und addiert (ProAce City Verso und Doblò spielen nur eine geringe Rolle; das Jahr 2018 ist aufgrund der Beimischung von Vorgängermodellen wenig aussagekräftig):
Hier ist “Rest” praktisch gleichbedeutend mit “Benziner”. Man sieht sehr schön, wie wir im Frühling 2020 alle eingesperrt wurden und keine Lust auf Autokauf hatten - eine Zeitlang waren ja sogar die Produktionsanlagen außer Betrieb. Ab dem Herbst 2021 waren Benziner und Diesel dann kaum noch zu bekommen, höchstens aus Lagerbeständen oder über Umwege wie die Nutzfahrzeugsparte. Und mitnichten haben die Kunden dann einfach die Elektrovariante gekauft. Im Gegenteil: nachdem Stellantis heimlich zurückruderte und die Verbrenner eine Zeitlang doch wieder zu haben waren, wurde der frühere Zustand reproduziert.
Man kann (oder mag) sich kaum vorstellen, dass das Versagen (Fehlzündung kann man ja schlecht sagen) der Elektrovarianten für die Stellantis-Chefetage überraschend kam. Wie kann ein Elektroauto mit einer offiziellen Reichweite von 280 km, die in der Praxis auf 150 km zusammenschrumpfen dürfte, weil man doch sicherheitshalber “tankt” und auch das nur bis 80%, für das “ultimative Familienauto” gehalten werden? Wie sieht damit die Fahrt an die Ostsee oder gar ins ladetechnisch unterversorgte Ausland aus? Vati kann noch nicht einmal seinen Frust mittels Fahrleistung abreagieren: die Beschleunigung liegt auf dem Niveau der Verbrenner, und bei 135 km/h wird abgeriegelt. Dafür bezahlt man doch gerne einen Aufschlag von über 10.000 €!
Aber mit dem anstehenden Facelift (das auch die gegen Ende 2023 sinkenden Verkaufszahlen plausibilisiert) sind die Verbrenner wieder da, wenn auch ziemlich heimlich und offenbar nach kurzfristiger Entscheidung.
Da wird man sich auf Teneriffa freuen. Meine anekdotische Einschätzung ist, dass Berlingo und Co. dort das meistverkaufte Auto überhaupt sein dürften (bezahlbar, kompakt, geräumig) - aber natürlich nur als Verbrenner. In einer ganzen Woche habe ich auf der Insel nur ein einziges Elektroauto wahrgenommen - und das war ein Tesla mit deutschem Kennzeichen. Hoffentlich hatte er genug Stromkanister dabei… wenn nicht einmal auf einer Insel, auf der die Tagesfahrleistung naturgemäß begrenzt ist und auf der zudem die Sonne verlässlich scheint, irgendwer die Elektrokisten haben will, dann werden wir vielleicht bald wieder alle ein bisschen vernünftiger.